Die Geschichte von bikeAlpin

1993 gründete Richard Deß den Mountainbike Touren-Veranstalter „bikeAlpin“. 2011 wurde die Einzelfirma in die bikeAlpin GmbH umgewandelt und Gitta Poebing ist als Gesellschafterin und Geschäftsführerin in das Unternehmen eingestiegen. In einem Gespräch lassen die beiden Geschäftsführer 27 bewegte Jahre Revue passieren.


Richard, wie kam Dir die Idee zur Gründung von bikeAlpin?

Richard: Anfang der 90er Jahre spielte ich regelmäßig mit dem Gedanken, mich im Bergsportbereich selbstständig zu machen. Auf einer Expedition zur 8091 Meter hohen Annapurna I in Nepal hatte ich beim Warten auf gutes Wetter viel Zeit zum Nachdenken. Dabei wurde auch der Name „bikeAlpin“ geboren. Im Herbst 1993 arbeitete ich die ersten Touren aus und erstellte einen kleinen Prospekt. Im Frühjahr 1994 habe ich dann meinen sicheren Arbeitsplatz aufgegeben und bin allen Unkenrufen zum Trotz in diese damals noch neue Reisesparte eingestiegen.

Was waren die ersten Touren- und Reiseziele?

Richard: In der ersten Saison, waren wir meist im Karwendel- und Wettersteingebirge sowie in den Dolomiten unterwegs. Die erste Durchquerung ging „Von der Zugspitze zum Watzmann“. In den Westalpen hatten wir schon die „Mont Blanc Umrundung“ im Programm und die erste Flugreise führte nach Marokko in den hohen Atlas.

Welche Probleme gab es am Anfang?

Richard: Das Biken war damals, gerade im Grenzgebiet Bayern/Österreich oft noch verboten oder nur geduldet. Allerdings freuten sich die Hüttenwirte über die neue, bisher unbekannte „Spezies“. Biker haben meist reichlich Durst und Hunger, was sich durchaus positiv auf den Umsatz der Gastgeber auswirkte. Die Tiroler haben den neuen Trend schnell erkannt und ziemlich bald viele MTB-Routen ausgewiesen. Was man auch nicht nicht vergessen darf: Damals gab es noch kein Internet oder E-Mail, was die Organisation der Reisen sehr viel aufwendiger machte als heute.

Wann wurden die ersten Transalps gefahren?

Richard: In der zweiten Saison 1995 ist die Nachfrage nach Transalps rasant gestiegen. Die ersten Alpenüberquerungen im Angebot führten vom Karwendel in die Dolomiten und von Oberstdorf zum Gardasee. In den Folgejahren wurden die Touren dann stetig weiterentwickelt und perfektioniert. Sie führten jetzt zum Lago Maggiore oder nach Venedig, nicht zu vergessen der ultimative WestalpenCross „Vom Genfer See ans Mittelmeer“, den wir immer noch im Programm haben.

Wie sah so ein Alpencross vor 25 Jahren aus?

Richard: In den Anfangsjahren stand das Berg- und Naturerlebnis im Vordergrund. Längere Schiebe- und auch mal Tragepassagen in hochalpinen Regionen waren an der Tagesordnung. Die Touren waren auf den Uphill ausgelegt, auf Etappen mit 2000 Höhenmetern und mehr. Das gesamte Gepäck hatte man im Rucksack dabei, übernachtet wurde oft auf Berghütten in Betten-Lagern mit manchmal 20 Personen oder mehr.

Gitta, wie und wann bist Du zu bikeAlpin gekommen?

Gitta: Ich habe jahrelang in einem Krankenhaus gearbeitet bis mir durch eine Umstrukturierung 2002 eine Abfindung angeboten wurde, die ich gerne annahm, um mich selbständig zu machen. Reisen, Mountainbiken, Skitouren und Bergsteigen haben mir schon immer viel Spaß gemacht. Ein Freund brachte mich schließlich auf die Idee, mich als Bike-Guide zu bewerben. Ich fragte bei verschiedenen Radreiseveranstaltern an und Richard von bikeAlpin konnte mir für die ganze Saison 2003 einen Job als Guide zusichern. Außerdem suchte er Unterstützung im Büro. Ein Umzug von Chiemgau nach Allersberg kam für mich zwar nicht in Frage, aber Dank Internet, email und Anrufweiterschaltung war ein Arbeiten im Homeofffice kein Problem.

Erinnerst Du Dich noch an Deine erste Saison?

Gitta: Klar! Es hat im Sommer 2003 praktisch nicht geregnet und ich war nur mit dem Bike unterwegs, entweder Strecken abfahren oder Gäste über die Alpen führen. Natürlich war ich vor meiner ersten Führungstour etwas aufgeregt, es war eine TransTirol von Leermos nach Riva mit sechs Teilnehmern. Es hat alles super geklappt und wir hatten viel Spaß. Damals navigierten wir Guides noch mit Landkarten, auf denen die Route mit Leuchtstift eingezeichnet war. Die Karten waren teilweise sehr ungenau und es gab keine beschilderten Radwege. Da war gutes Orientierungsvermögen und Kartenlesen gefragt. Wie einfach ist die Wegfindung hingegen heute mit den GPS-Geräten!

Wann kam die Umstellung auf Transalp Touren mit Gepäcktransport?

Richard: Das begann 2003. Der Gepäcktransport verteuert die Reisen und ich wollte erst antesten, ob der Kunde bereit ist, diesen Mehrpreis zu bezahlen. Deshalb gab es bei einigen Reisetermine mit Gepäcktransport und einige ohne. Nach einer Saison war schnell klar, dass Reisen mit mehr Komfort wie Gepäcktransport gerne angenommen werden. Mittlerweile ist dieser Service für den Kunden eine Selbstverständlichkeit.

Gitta: Ich kann mich noch erinnern, bei der Hälfte meiner Führungstouren gab es keinen Gepäcktransport. Jeder hatte sein gesamtes Gepäck im Rucksack dabei. Als Guide hatte ich auch noch die Landkarten, Erste-Hilfe-Paket und kleines Werkzeugset dabei. Es ist natürlich wesentlich angenehmer, mit leichtem Rucksack zu fahren und am Abend die Reisetasche im Hotel vorzufinden. Wobei ich mich schon gerne an die Rucksack-Touren erinnere ohne tägliches Kofferpacken. Die Teilnehmer waren alle sehr unkompliziert.

Was hat es mit den GPS-Selfguided-Touren auf sich?

Richard: Nachdem die GPS-Technik bei der Tourenplanung Einzug gehalten hatte, haben wir ein neues Konzept entwickelt. Der Kunde bekommt von uns den GPS-Track und fährt in eigener Regie. Die Hotels, der Gepäcktransport und Rücktransfer werden von uns organisiert. Darin sehe ich einen wachsenden Markt.

Gitta: Begonnen haben wir damit 2007. Die TransTirol Touren konnte man wahlweise mit oder ohne Guide buchen. Seit 2008 bauen wir das Programm ohne Guide in Eigenregie unter dem Begriff "Selfguided-GPS Transalp" immer weiter aus.


 

Ihr seid sogar im Winter über die Alpen mit dem Bike über die Alpen gefahren. Das klingt schon ein wenig verrückt.

Richard: Auf den ersten Blick. Aber da ich generell gerne in der kalten Jahreszeit auf dem Bike unterwegs bin, hatte ich Ende Januar 2006 den Einfall, im Winter die Alpen zu überqueren. In Garmisch stopfte ich meine Ausrüstung in den Rucksack fuhr über den Fern- und Reschenpass ins Vinschgau und weiter bis zum Gardasee. Das ging besser als gedacht. Wenn man mal im Vinschgau ist, hat man auch im Winter meistens Plusgrade, abgesehen davon, dass der Gegenwind grauenvoll kalt sein kann. Jedenfalls war es ein ganz besonderes Erlebnis, in weiteren Jahren haben wir die Winter-Transalp auch dreimal mit kleinen Gruppen durchgeführt. Wir haben schon viel ausprobiert, auch eine 24-Stunden Transalp hatten wir im Programm oder bike&Ice-Touren bei denen wir Mountainbiken und Bergsteigen kombinierten.

2011 kam es zur Gründung der bikeAlpin GmbH

Richard: Im Herbst 2011 wurde die Einzelfirma in die bikeAlpin GmbH umgewandelt. Gitta ist als Gesellschafterin und Geschäftsführerin in das Unternehmen eingestiegen.

Gitta: Das Angebot von Richard war eine einmalige Chance für die ich ihm sehr dankbar bin. Nach neun Jahren wusste ich auf was ich mich einlasse.

Ihr hattet doch auch Rennrad-TransAlps im Programm?

Richard: Stimmt! Ab 2002 hatten wir das erfolgreiche MTB-Transalp-Konzept in sechs Etappen über die Alpen zu fahren auch mit dem Rennrad ausprobiert. Da waren wir praktisch noch der einzige Anbieter und die Nachfrage war riesig.

Gitta: Allerdings mussten wir 2019 die Rennradtouren wie auch die bike & Ice Touren schweren Herzens aus dem Programm nehmen. Der stark wachsende E-Bike Markt erfordert sehr viel Zeit und Energie – wir hätten uns sonst verzettelt.

E-Bikes sind mittlerweile überall zu sehen. Seit wann bietet ihr Alpencross für E-MTB an?

Gitta: Richard war schon immer ein "Pionier" und hat einen guten Riecher für neue Trends. Im Herbst 2010 probierte er neuartige Mountainbikes mit Motor aus und erkannte darin sofort das Potential. 

Richard: Von KTM hatten wir E-MTB‘s mit Nabenmotor ausgeliehen und auf der Strecke von Schwangau an den Gardasee ausprobiert. Im Programm 2011 war die Tour buchbar. Allerdings hielt sich die Nachfrage nach E-Bike Transalp Touren noch sehr in Grenzen. Die Zeit war noch nicht reif dafür. Erst 2017 ist die Nachfrage nach E-MTB Touren stetig mehr geworden, wir konnten mit eigenen e-MTBs Erfahrungen sammeln und Routen für e-Bikes optimieren. Dementsprechend wurde auch unser Tourenangebot erweitert und angepasst. Die Technik und Akkus entwickeln sich schnell weiter und werden immer besser.

Wer plant bei Euch die Touren?

Gitta: Eigentlich jeder von uns. Wir überlegen gemeinsam, was wir Neues machen könnten, wo uns noch eine neue Route fehlt und was die Trends sind. Ich kümmre mich dann eher um die Strecken im tiefsten Italien oder Slowenien, Richard tüftelt an unseren Hauptrouten und testet die Strecken fürs E-Bike.

Richard: Man muss auch immer schauen, was die Verkaufszahlen sagen. Wenn eine Tour nicht mehr läuft, muss was Neues her.

Was hat sich in den letzten 27 Jahren verändert? 

Gitta: Wie von Richard bereits erwähnt, stand zu Beginn vor allem das Berg- und Naturerlebnis im Vordergrund. Der Fokus lag auf dem Überqueren der Alpen aus eigener Kraft, auf welchen Wegen war zweitrangig. Es ging einfach rustikaler zu. Heute stehen tolle Abfahrten im Vordergrund, flowige Trails….

Richard: …. und natürlich darf’s gerne etwas mehr als zu wenig Komfort sein. Shuttles und Liftunterstützung werden gerne angenommen. Die Ansprüche sind gestiegen. Das gilt auch für das eigene Bike. Die Technik hat Quantensprünge gemacht. Waren in den Neunziger Jahren die Hardtails in der Mehrheit, sieht man heute in der Regel nur noch Fullys.
 

Was sind Eure persönlichen Lieblingstouren?

Richard: Im Grunde liegen mir alle Touren am Herzen. Wir haben sie ja alle ausgetüftelt und optimiert. Sehr gerne bin ich noch immer im Hohen Atlas in Marokko unterwegs – sicherlich auch, weil diese Tour von Anfang an im Programm ist.
 

Gitta: Mit geht’s wie Richard. Mit jeder Route verbinde ich ganz spezielle Erinnerungen. Besonders schätze ich Strecken abseits des Mainstreams und bin sehr gerne in den Westalpen im Piemont unterwegs. 

Was sind eure Prognosen für die Zukunft?

Richard: Der Radsport boomt nach wie vor und Aktiv-Urlaube sind im Trend. 

Gitta: Es lassen sich immer neue Regionen mit dem Bike entdecken. Da werden uns die Ideen nicht ausgehen.